Vertriebler ticken anders – Mit Persönlichkeit zum Erfolg?
„Zum Verkäufer muss man geboren sein“, heißt es häufig. Dass einige Mitarbeiter bereits von Haus aus ein gewisses Talent mitbringen, ist dabei unumstritten. Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Verkaufserfolg wirklich maßgeblich in unseren Genen liegt oder durch eine fundierte Ausbildung erlernt werden kann? Fest steht in jedem Fall: Vertriebler sind eine Spezies für sich und zeichnen sich durch eine charakteristische Ausprägung konkreter Persönlichkeitseigenschaften aus.
Eine Profession der Vorurteile
Ob es nun der Realität entsprechen mag oder nicht, die breite Öffentlichkeit hat sich über die Jahre ein konkretes Bild vom typischen Verkäufer gemacht. Während zielstrebig und selbstbewusst dabei zwei durchaus positive Attribute verkörpern, trifft dies auf egozentrisch und aufdringlich eher weniger zu. Situationen, in denen ein Vertriebler einfach nicht locker lassen wollte, obwohl der Kunde schon mehrmals zum Ausdruck gebracht hat, dass er kein Interesse an seiner angebotenen Leistung hat, sind wahrlich nicht die Regel. Dennoch sind es genau solche Negativerfahrungen, die dem Kunden im Gedächtnis bleiben und das Image der Profession nachhaltig prägen. Häufig wird Vertrieblern deshalb die Eigenschaft zugesprochen, vor allem gut darin zu sein, anderen etwas „aufzuquatschen“.
Es ist sicherlich zutreffend, dass Vertriebler ein Talent dafür besitzen, die positiven Aspekte einer Leistung zu präsentieren. Einem Eskimo eine Gefriertruhe zu verkaufen – wie es der Volksmund oft ausdrückt – ist allerdings sowohl für den Kunden, als auch den Vertrieb nicht erstrebenswert. Ein guter Verkäufer, identifiziert seine Leads, adressiert sie gezielt und behält ein offenes Ohr und Gespür für ihre Bedürfnisse. Denn ein Kunde, der zum Kauf gedrängt wurde, wird auf lange Sicht kein zufriedener sein und damit dem Unternehmen vermutlich mehr Kosten als Nutzen bescheren.
Die meisten Vorurteile bleiben daher eine Pauschalisierung weniger Negativbeispiele der Branche. Dennoch ist nicht abzustreiten, dass die meisten Vertriebler gewisse Eigenschaften aufweisen, die bei Vertretern anderer Professionen schwächer ausgeprägt sind. Schließlich kennen wir sicherlich alle jemanden, der schlicht und ergreifend nicht für den Beruf eines Verkäufers geschaffen wäre. Woran machen wir das fest? – Seinen Charaktereigenschaften.
Nachweislich anders

Das unterstützt auch das Ergebnis einer 2014 durchgeführten Studie der Humboldt-Universität zu Berlin in Kooperation mit dem Bundesverband der Vertriebsmanager (BdVM). Untersuchungsgegenstand war hierbei der mögliche Zusammenhang von Persönlichkeit und Wirtschaftlichkeit im Vertrieb. Eine weitere grundlegende Frage war jedoch auch: Unterscheiden sich Vertriebler in ihrer Persönlichkeitsstruktur von Personen anderer Berufsgruppen? Die Antwort – ein klares ja.
Die Grafik zeigt deutlich, dass die Ausprägung einiger Charaktereigenschaften bei Vertrieblern von dem Mittelwert der Referenzgruppe (welche sich aus 2000 Nicht-Vertrieblern zusammensetzt) abweicht.
Stets offen für Neues
Gleich der erste Punkt mit nennenswerter Abweichung – die geistige Flexibilität – sollte nicht überraschend sein. Offen und unvoreingenommen in ein Verkaufsgespräch zu gehen, ist eine unabdingbare Kompetenz eines jeden guten Verkäufers. Denn im Vertrieb gibt es kein Schema F, nach dem ein potentieller Kunde für sich gewonnen werden kann. Jedes Verkaufsgespräch folgt zwar einem groben Leitfaden, es liegt jedoch in den Händen des Vertrieblers, seine Argumente in genau solcher Form zu formulieren und platzieren, dass sie auf die Bedürfnisse des Kunden eingehen.
Keine Angst vor Risiko
„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“, könnte man an dieser Stelle auch anbringen. Vertriebler haben nach dieser Studie eine weit überdurchschnittliche Risikoneigung, was im Verkauf durchaus zielführend sein kann. Denn manchmal ist es der unkonventionelle Weg, der dazu führt, die Aufmerksamkeit Eures Gesprächspartners zu gewinnen. Auf diese Weise erhaltet Ihr unter Umständen eine Chance Eure Leistung zu präsentieren, die unter dem Motto „lieber auf Nummer sicher gehen“ ausgeblieben wäre.
Wind- und wetterfest
Die Eigenschaft der Teamorientierung ist nach dieser Studie deutlich schwächer ausgeprägt, als bei der Vergleichsgruppe. Das soll aber nicht heißen, dass Vertriebler keine guten Team-Player sein können. Dieser Wert steht vielmehr dafür, dass sie sich nicht vor Konflikten scheuen und auch ohne absolute Harmonie gut funktionieren.
Immer auf der Suche nach Herausforderungen
Auch eine hohe Leistungsmotivation zählt zu den Charakteristiken eines Vertrieblers und das ist vermutlich bereits auf die Beschaffenheit der Branche zurückzuführen. Nichts steht hier so sehr im Fokus, wie die finanziellen Kennzahlen und häufig macht die Provision einen nicht unmerklichen Anteil des Vertriebsverdienstes aus. Es ist also nur logisch, dass Vertriebler danach streben ihre Umsatzziele zu erreichen, wenn nicht sogar zu übertreffen.
Vertriebler ist nicht gleich Vertriebler
Dennoch können nicht alle Vertriebsmitarbeiter über einen Kamm geschert werden. Auch innerhalb der Profession gibt es durchaus Unterschiede zu verzeichnen. Eine der bekanntesten Differenzierungen beschreibt das Farmer-Hunter-Modell, das zwischen zwei grundlegenden Vertriebspersönlichkeiten unterscheidet, die gleichermaßen den Erfolg eines Unternehmens bedingen.
Der Hunter – ein Verkäufer, der Abwechslung und immer wieder neue Herausforderungen sucht – wird in der Kundenakquise eingesetzt. Er sorgt dafür, neue Kunden zu gewinnen und durch bewusstes Zuhören, immer am Puls der Kundenbedürfnisse zu bleiben und damit neue Potentiale zu erkennen. Ehrgeizig und täglich neu motiviert beschert er dem Unternehmen einen stetigen Zustrom an Neukunden.
Der Farmer findet hingegen in der Bestandskundenpflege seine Berufung. Häufig in der Position des Key Account Managers, sucht er im Gegensatz zu seinem Pendent, Beständigkeit und trägt zur Aufrechterhaltung bestehender Kundenbeziehungen bei. Er ist weniger auf die Jagd, als das anschließende Hüten der Schäfchen aus. Seine Stärke liegt daher in der Identifikation und kontinuierlichen Beantwortung vorhandener Kundenbedürfnisse. Durch eine individuell abgestimmte Angebotskultur steigert er die Kundenzufriedenheit und bindet den Kunden damit langfristig an das Unternehmen.
Beide Vertriebspersönlichkeiten, zeichnen sich damit durch konkrete Eigenschaften aus, die sich kaum stärker unterscheiden könnten. Doch beide sind von unschätzbarem Wert für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens, da diese beides brauchen: Bestands- und Neukunden.
Fest steht: Vieles im Vertrieb kann man lernen. Das trifft besonders auf das Handwerkszeug zu. Allgemein zu sagen „Übung macht den Meister“, ist allerdings nicht ohne Weiteres zu unterschreiben. Auch wenn einige Kompetenzen mit den Jahren ausgebaut werden können, gibt es doch Charaktereigenschaften, die den Erfolg im Vertrieb begünstigen und uns sprichwörtlich in die Wiege gelegt wurden.